Auch Luxemburg lehnt syrische und afghanische Flüchtlinge öfter ab

EU-Ausweisungsschub
Luxemburger Wort 3. April 2024, Cordula Schnuer

Die Sicherheitslage in Syrien und Afghanistan bedingt, dass Antragsteller, darunter auch Frauen mit Kindern, jetzt von Fall zu Fall geprüft werden.

Aus Pakistan geflüchtete afghanische Frauen mit Kindern stehen in Kabul bei der UN für Lebensmittel an. Auch in Syrien bleibt die Situation angespannt. Es gebe keinen weit verbreiteten Konflikt und keine Verfolgung, schätzt die EU die Lage dort ein.
Aus Pakistan geflüchtete afghanische Frauen mit Kindern stehen in Kabul bei der UN für Lebensmittel an. Auch in Syrien bleibt die Situation angespannt. Es gebe keinen weit verbreiteten Konflikt und keine Verfolgung, schätzt die EU die Lage dort ein. Foto: AFP

Angesichts der hohen Zahl von Asylbewerbern aus Syrien und Afghanistan lehnt Luxemburg einige ihrer Anträge ab – darunter auch die von zwei Afghaninnen – mit der Begründung, dass es in ihren Herkunftsländern keinen weit verbreiteten Konflikt und keine Verfolgung gibt.

„Was Syrien betrifft, so wurde bis 2022 syrischen Staatsangehörigen fast systematisch internationaler Schutz gewährt, heute ist dies nicht mehr der Fall“, teilte das Innenministerium der Luxembourg Times in einer E-Mail mit.

Im vergangenen Jahr stellten 710 syrische Staatsangehörige einen Antrag auf internationalen Schutz im Großherzogtum. Die Behörden gaben 466 Anträgen statt und lehnten 35 Anträge ab. Dazu muss man wissen: Asylverfahren können sich über Jahre hinziehen, die Zahl der neuen Antragsteller in einem Jahr und die in diesem Zeitraum getroffenen Entscheidungen stimmen nicht überein.

In der EU beantragten im vergangenen Jahr mehr als eine Million Menschen internationalen Schutz – ein Sieben-Jahres-Hoch, wobei die meisten von ihnen syrische Staatsangehörige waren und Afghanen die zweitgrößte Gruppe bildeten. Luxemburg war mit 2.454 Asylbewerbern, die in das Land kamen, keine Ausnahme. Pro Kopf der Bevölkerung lag das Land damit an fünfter Stelle in der EU, wie die Statistikbehörde Eurostat am Montag, dem 25. März mitteilte.

Die Zahl der Asylanträge erreichte 2015 ihren bisherigen Höchststand, als 2.447 Personen in Luxemburg internationalen Schutz beantragten. In der letztjährigen Zahl nicht enthalten sind Tausende von Flüchtlingen aus der Ukraine, die im Rahmen eines EU-Mechanismus vorübergehenden Schutz erhielten.

Syrien nicht sicher, sagt Menschenrechtsgruppe

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warnte letztes Jahr davor, dass es für Flüchtlinge nicht sicher sei, nach Syrien zurückzukehren. Zyperns Innenminister Constantinos Ioannou hatte damals gefordert, die EU solle neu bewerten, ob Asylbewerber dorthin zurückgeschickt werden können.

„Die Abwesenheit von willkürlicher Gewalt in einem Teil eines Landes bedeutet nicht, dass das Land sicher ist. Es bedeutet nicht einmal, dass die Orte, an denen keine Kugeln fliegen, frei von Gefahren sind“ sagte der Direktor der HRW-Abteilung für Flüchtlings- und Migrantenrechte, Bill Frelick. „Die Behauptungen derjenigen, die aus Angst vor Verfolgung aus dem Land geflohen sind, müssen ernsthaft geprüft werden.“

Die Abwesenheit von willkürlicher Gewalt in einem Teil eines Landes bedeutet nicht, dass das Land sicher ist.

Human Rights Watch

In einem im Februar veröffentlichten EU-Bericht zu Syrien heißt es, dass in acht der 14 Provinzen des Landes keine reale Gefahr willkürlicher Gewalt oder einer „bloßen Präsenz“ bestehe. In zwei Provinzen ist die willkürliche Gewalt auf einem hohen Niveau und in den übrigen vier Provinzen „findet sie statt, allerdings nicht auf einem hohen Niveau“.

„Die einfache Tatsache, Drittstaatsangehörigen keinen internationalen Schutz zu gewähren, bedeutet keineswegs, dass ihr Herkunftsland als sicheres Land zu betrachten ist“, erklärte das luxemburgische Innenministerium. „Es bedeutet lediglich, dass diese Person für sich genommen nicht Gefahr läuft, Opfer von Verfolgung oder ernsthaftem Schaden zu werden, wenn sie in ihr Herkunftsland zurückkehrt.“

Der EU-Bericht warnte jedoch davor, dass „Rückkehrer Handlungen ausgesetzt sein könnten, die so schwerwiegend sind, dass sie einer Verfolgung gleichkommen.“

Anträge abgelehnt, aber keinen Syrer zurückgeschickt

Im Januar und Februar dieses Jahres beantragten 39 Syrer internationalen Schutz, 13 erhielten einen negativen Bescheid. Trotz der Ablehnung von Asylanträgen hat Luxemburg aber – wie andere EU-Mitglieder auch – keinen Syrer direkt in sein Heimatland ausgewiesen. Es hat allerdings im vergangenen Jahr fünf Asylbewerber in den Iran zurückgeschickt, wo Proteste nach dem Tod von Mahsa Amini durch die Sittenpolizei im September 2022 ein gewaltsames Vorgehen des Regimes zur Folge hatten.

Das britische Innenministerium hat im Juni 2022 in einem ersten Fall dieser Art einen syrischen Asylbewerber aufgefordert, in sein Land zurückzukehren. In der EU verlor ein Asylbewerber aus Syrien im September ein Verfahren gegen die Grenzschutzagentur Frontex, die die Familie des Mannes von Griechenland in die Türkei abgeschoben hatte, ohne ihren Asylantrag zu bearbeiten. Die Türkei wiederum kündigte 2022 einen Umsiedlungsplan an, der die Rückführung von Millionen Syrern nach Syrien vorsieht.

Nach der Genfer Konvention muss ein Asylbewerber eine „begründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung“ haben. In der Konvention wird Verfolgung jedoch nicht definiert.

Sergio Ferreira von der ONG für Migranten-Arbeiterrechte Asti sagt, dass die ungleiche Behandlung zu Diskriminierungen unter Asylbewerbern geführt hat.
Sergio Ferreira von der ONG für Migranten-Arbeiterrechte Asti sagt, dass die ungleiche Behandlung zu Diskriminierungen unter Asylbewerbern geführt hat. Foto: Gerry Huberty

„Die Verbände vor Ort waren ziemlich überrascht, dass alle Syrer ohne große Fragen internationalen Schutz erhielten“, sagte Sergio Ferreira, der politische Direktor der ONG für Immigrierten-Arbeiterrechte Asti, in einem Interview über die großzügige Politik Luxemburgs bis 2022.

Die Asylbewerber müssten jetzt jedoch eher mit Enttäuschungen rechnen. „Jede Akte ist ein Einzelfall“, sagte er. „Aber es sollte in allen Fällen guten Willen geben. Wir sind mit einem Szenario konfrontiert, in dem die Vermutung des Betrugs besteht: Das System – und das gilt nicht nur für Luxemburg – ist nicht dazu da, Menschen zu schützen, sondern zu verhindern, dass diejenigen, die keinen Anspruch auf Schutz haben, davon profitieren.“

Forderungen nach Abschiebung

Luxemburg, so der Asti-Sprecher, werde in seiner Asylpolitik immer restriktiver. Die Regierung unter Premierminister Luc Frieden hat die Einwanderungsabteilung vom Außen- ins Innenministerium verlegt. „Das ist die Logik, die auf der Ebene der Europäischen Union besteht – Sicherheit und Migration werden in Verbindung gebracht. Das ist sehr bedauerlich.“

Für Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, aber auch aus dem Irak und anderen Ländern, in denen es anhaltende und weit verbreitete Konflikte gibt, hätte das Land einen vorübergehenden Schutzmechanismus anwenden können, ähnlich dem, der Flüchtlingen aus der Ukraine gewährt wird und der es ihnen erlaubt hätte, sofort eine Beschäftigung zu suchen.

„Die unterschiedliche Behandlung von sehr ähnlichen Umständen hat zu Diskriminierungen geführt“, sagte Ferreira. Die Diskriminierung gehe in beide Richtungen. Flüchtlinge mit vorübergehendem Schutz dürfen sofort arbeiten, haben aber im Gegensatz zu Personen mit internationalem Schutz keinen Zugang zum luxemburgischen Mindesteinkommen, dem sogenannten Revis.

Außerdem gibt es auch in der Ukraine Gebiete, in denen kein Konflikt herrscht. „Da sollte es keinen Unterschied geben“, sagte Ferreira. „Für ähnliche Situationen müssten wir die gleichen Regeln anwenden.”“

Wie Zypern drängte auch Österreichs Innenminister bei einem EU-Treffen im März auf die Rückführung von Asylbewerbern in „Länder wie Syrien oder Afghanistan“.

Frauen und Kindern wird Asyl in Luxemburg verweigert

Trotz der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan im August 2021 gebe es derzeit „keine Massenverfolgung, die die systematische Zuerkennung des Flüchtlingsstatus an afghanische Staatsangehörige rechtfertigen würde“, so das luxemburgische Innenministerium.

Im vergangenen Jahr beantragten 128 afghanische Staatsangehörige internationalen Schutz. Im gleichen Zeitraum wurden 89 Anträge bewilligt und 26 abgelehnt, darunter eine Frau.

Es gibt keine Massenverfolgung, die die systematische Zuerkennung des Flüchtlingsstatus an afghanische Staatsangehörige rechtfertigen würde.

Mitteilung des Innenministeriums

In den ersten beiden Monaten dieses Jahres trafen 17 Asylbewerber aus Afghanistan in Luxemburg ein, elf wurde internationaler Schutz gewährt und ebenso vielen wurde der Antrag abgelehnt. Darunter war auch eine Frau mit zwei minderjährigen Kindern.

„Nirgendwo sonst auf der Welt gab es einen so weit verbreiteten, systematischen und allumfassenden Angriff auf die Rechte von Frauen und Mädchen wie in Afghanistan“, hieß es in einem UN-Bericht vom Juni 2023.

In demselben Dokument werden die UN-Länder aufgefordert, „allen afghanischen Frauen und Mädchen, die sich außerhalb Afghanistans aufhalten, Unterstützung und Schutz zu gewähren und Maßnahmen zu ergreifen, um ihre langfristige Sicherheit zu gewährleisten, unter anderem durch die Gewährung des Flüchtlings-, Schutz- oder regulären Status.“

Sowohl afghanische als auch syrische Asylbewerber „werden, solange sie keine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen, über die Bedingungen informiert, unter denen ihr Aufenthalt in Luxemburg legalisiert werden kann“, so das Ministerium.

Dieser Artikel erschien zuerst bei „Luxembourg Times“ und wurde mit leichten Anpassungen ins Deutsche übersetzt. Übersetzung: Annette Welsch.