Luxemburg setzt Hass zu wenig entgegen

Bericht der EU-Kommission
Wort – online 18. Oktober 2023
Simone Molitor

Der jüngste Bericht der EU-Kommission gegen Rassismus und Intoleranz macht deutlich, wie viel in Luxemburg noch zu tun bleibt, gerade im Kampf gegen Hatespeech.

Viele Menschen sehen sich aufgrund ihrer Hautfarbe als Zielscheibe von Hatespeech.
Viele Menschen sehen sich aufgrund ihrer Hautfarbe als Zielscheibe von Hatespeech. Foto: Shutterstock

Seit der Pandemie hat Hatespeech im Netz in Luxemburg eine neue Dimension bekommen. Das stellt auch der sechste Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) fest, der kürzlich veröffentlicht wurde. Und Luxemburg setzt dem nicht genug entgegen – auch zu diesem Schluss kommt die ECRI. „Hassreden und hassmotivierte Gewalt“ ist eines von drei Themen, auf das sich das Ländermonitoring konzentriert. Die sieben wichtigsten Fragen und Antworten.

Welche Kritikpunkte hebt die ECRI in Bezug auf Luxemburg hervor?

Die Behörden hätten es bislang versäumt, „ein effektives System zur Erfassung und Verfolgung von rassistischen und homo-/transphoben Vorfällen“ einzurichten. Bereits in ihrem fünften Report, der Ende 2019 vorgelegt wurde, hatte die ECRI dies empfohlen, kann aber kaum Fortschritte feststellen.

Nach wie vor werden hassmotivierte Vorfälle zu wenig gemeldet. Noch dazu würden die Opfer zu wenig Unterstützung von den Behörden erfahren.

Die Bemühungen der Medienregulierungs- und Selbstregulierungsorgane, die für die Bekämpfung von Hassreden zuständig sind, seien ebenfalls unzureichend.

Die Behörden haben es bislang versäumt, ein effektives System zur Erfassung und Verfolgung von rassistischen und homo-/transphoben Vorfällen einzurichten.

Aus dem Bericht der ECRI

Warum fehlen relevante statistische Daten?

Die Kriterien für die Erfassung und Einstufung solcher Straftaten seien unklar. In diesem Kontext wird auch die Qualität der Polizeiprotokolle infrage gestellt, weshalb die ECRI dazu rät, einen Fragebogen zu entwickeln, der den Polizeibeamten dabei helfen soll, Hass-/Diskriminierungsmotive besser zu erkennen.

Darüber hinaus seien die Möglichkeiten der BeeSecure-Stopline und des Zentrums für Gleichbehandlung (CET), Daten zu sammeln, eingeschränkt. „Die verfügbaren Daten sind verstreut und werden weder harmonisiert noch nach Diskriminierungsarten aufgeschlüsselt“, so die Erkenntnis. Nach wie vor würden auch Staatsanwaltschaft und Gerichte keine relevanten Statistiken veröffentlichen.

Inwieweit hat die Pandemie das Phänomen verstärkt?

Die Stopline-Plattform von BeeSecure verzeichnete einen starken Anstieg der Meldungen von Online-Hassreden im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie: 122 Fälle im Jahr 2018, 219 in 2019 und 292 in 2020 (+139 Prozent). Eine deutliche Erhöhung hassmotivierter Vorfälle wurde auch von der Kriminalpolizei registriert: Von 46 Meldungen 2018 stieg die Zahl der Fälle auf 122 im Jahr 2019 und 191 im Jahr 2020 (+ 315 Prozent). 78 dieser 191 Fälle wurden im Rahmen einer Untersuchung der Antiterrorismus-Abteilung und eines Berichts an die Staatsanwaltschaft gerichtlich überprüft.

Die vom Europarat eingesetzte „European Commission against Racism and Intolerance“ (ECRI) ist eine unabhängige Überwachungsinstanz im Bereich der Menschenrechte. In Fünfjahreszyklen wird die Situation in jedem der Mitgliedstaaten in Bezug auf Rassismus und Intoleranz analysiert. Vorschläge zur Behandlung der festgestellten Probleme werden gemacht.

Die Länderberichte des sechsten Zyklus konzentrieren sich auf drei Themen: tatsächliche Gleichheit und Zugang zu Rechten, Hassreden und hassmotivierte Gewalt sowie Integration und Eingliederung.

Warum werden durch Hass motivierte Vorfälle kaum gemeldet?

Laut CET haben 90 Prozent der mutmaßlichen Opfer im Jahr 2020 keine Anzeige erstattet. Die Hauptgründe dafür sollen mangelndes Vertrauen in das Strafjustizsystem, Angst vor Vergeltungsmaßnahmen, die Kosten einer Anzeige und die Länge des Gerichtsverfahrens sowie fehlende Informationen über die Rechte der Opfer sein.

Welche Menschen werden am häufigsten Opfer von Hassreden?

Die ECRI hat festgestellt, dass sich viele schwarze Menschen als Zielscheibe von Hatespeech sehen. Dies hatte bereits die Umfrage „Being Black in the EU“ im Jahr 2018 ergeben: 52 Prozent der Befragten afrikanischer Abstammung in Luxemburg gaben an, in den letzten fünf Jahren Opfer rassistischer Belästigung geworden zu sein. Laut dem im März 2022 vorgestellten Bericht „Rassismus und ethnische Diskriminierung in Luxemburg“ des Familien- und Integrationsministeriums sind 48,3 Prozent der Einwohner der Meinung, dass Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe weit verbreitet ist.

Umfragen der Beobachtungsstelle für Islamophobie zufolge schien die Feindseligkeit gegenüber Muslimen während der Pandemie erheblich zugenommen zu haben. Unterdessen zählte die Vereinigung „Recherche et Information sur l’Antisémitisme au Luxembourg“ (RIAL) im Jahr 2021 80 antisemitische Handlungen (gegenüber 64 in 2020, 47 in 2019 und 26 in 2018).

Laut CET stieg die ethnische Herkunft 2021 zum ersten Mal auf den ersten Platz der am häufigsten angeführten Diskriminierungsgründe (60 Fälle).

Das CET muss als die Institution schlechthin für die Begleitung von Opfern von Hassreden und Diskriminierung in allen Rechtsbereichen gefördert werden.

Aus dem Bericht der ECRI

Wie steht es um die Opferhilfe?

Die zivilgesellschaftlichen Gesprächspartner der ECRI sind sich einig, dass Opfer von Hassreden in der Praxis praktisch keine psychologische Hilfe erhalten, weder um ihr Trauma zu überwinden, noch um sie zu ermutigen, Anzeige zu erstatten.

Was die juristische Begleitung betrifft, so empfiehlt die ECRI vorrangig, die Kompetenzen des CET unter anderem um das Klagerecht zu erweitern und es „als die Institution schlechthin für die Begleitung von Opfern von Hassreden und Diskriminierung in allen Rechtsbereichen zu fördern“.

Bis zur Einführung des erschwerenden Umstands, der in Artikel 80 zum Ausdruck kommt, [mussten] die Polizeistationen nicht nach dem Hassmotiv von Straftaten suchen.

Aus der Stellungnahme der Regierung

Wie reagiert die Regierung auf die Kritik?

Sie weist vordergründig auf die momentane Ausarbeitung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus und Diskriminierung hin, der bis Ende 2023 vorliegen soll.

Weiter stellt die Regierung in ihrer Stellungnahme in puncto Hassreden und hassmotivierte Gewalt klar: „Die Protokolle werden von der Antiterrorismus-Abteilung der Kriminalpolizei, also von hochspezialisierten Ermittlern, erstellt, und die Qualität dieser Berichte ist beispielhaft.“

Dass die Zahl der Verurteilungen im Zusammenhang mit Hassreden im Vergleich zur Zahl der angezeigten Fälle relativ gering sei, liege in erster Linie daran, dass im Endeffekt nicht alle Meldungen Straftaten darstellen würden.

Als elementar im Kampf gegen hassmotivierte Vorfälle wird die rezent erfolgte Ergänzung im Strafgesetzbuch (Artikel 80) durch das Gesetz vom 23. März 2023 hervorgehoben. „Bis zur Einführung des erschwerenden Umstands, der in Artikel 80 zum Ausdruck kommt, [mussten] die Polizeistationen nicht nach dem Hassmotiv von Straftaten suchen“, nuanciert die Regierung.

Weitere Empfehlungen in Bezug auf Luxemburg

–         mittelfristige Einrichtung einer Beobachtungsstelle für Vorfälle von Mobbing in der Schule;

–         Anpassung der Gesetzgebung, um gleichgeschlechtlichen Paaren die automatische Anerkennung der gemeinsamen Elternschaft zu ermöglichen;

–         wirksamer Schutz des Rechts intersexueller Kinder auf körperliche Unversehrtheit und körperliche Autonomie;

–         Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Migranten beim Zugang zu Wohnraum, angemessene Bedingungen für Asylbewerber und Verstärkung des Angebots an Sprachkursen für Migranten;

–         Ausbau der Unterstützung für ausländische Kinder oder Kinder von Eltern mit ausländischer Staatsangehörigkeit, um ihnen einen erfolgreichen Abschluss der Pflichtschulzeit zu ermöglichen.