Konferenz: Häusliche Gewalt gegen Migrant*innen

Die Plattform Leilaw lud am Dienstag zur Konferenz „La violence domestique dans le contexte migratoire“ ein. Diskutiert wurde über deren Besonderheit und Rassismus.

Was für Auswirkungen hat häusliche Gewalt auf Migrant*innen? Dieser Frage gingen am Dienstag Laura Albu (Grevio), Ioanna Bagia (Rechtswissenschaftlerin/Break the Cycle), Isabel Da Silva (Femmes en détresse), Sarah McGrath (Women for Women France), Faten Khazaei (Soziologin) und Françoise Nsan-Nwet (Anwältin) nach. Die Plattform Leilaw veranstaltete die Konferenz zu häuslicher Gewalt im migrantischen Kontext.

Leilaw ist ein Projekt von Douri, Passerell und Ryse, co-finanziert von der Europäischen Union. Neben anderen Aktivitäten klärt der Verbund Menschen mit Migrationshintergrund über die Rechtslage zu häuslicher Gewalt in Luxemburg auf. Die Istanbul-Konvention, ein europäisches Abkommen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen aus dem Jahr 2011, spielt dabei eine zentrale Rolle. Luxemburg hat die Konvention 2018 ratifiziert.

Laura Albu resümierte wichtige Aspekte der Konvention, wie etwa die komplexe Definition häuslicher Gewalt, und sprach über deren Anwendung durch die Staaten. Erst im Juli legte Grevio, eine unabhängige Expert*innengruppe des Europarats, die die Umsetzung der Konvention durch die Staaten überwacht, ihren ersten und durchwachsenen Länderbericht zu Luxemburg vor.

Von wegen Istanbul-Konvention

Bei der Konferenz verwies Albu auf die Verstöße der Justiz gegen Paragrafen des Abkommens. Sie führte ein Fallbeispiel an: Einer Asylbewerberin wurde der Schutzstatus in Luxemburg verwehrt, obwohl sie in ihrem Herkunftsland wiederholt häusliche Gewalt erfahren hatte sowie Morddrohungen vom Täter erhielt. Die Absage steht im Widerspruch zu Artikel 61 der Istanbul-Konvention, der Betroffene häuslicher Gewalt vor einer Rückführung in ihr Herkunftsland schützt, sofern ihnen dort Lebensgefahr droht. Nach dem dritten Paragrafen des vierten Artikels ist die Diskriminierung der Betroffenen, etwa aufgrund ihres Migrant*innen- oder Flüchtlingsstatus, außerdem explizit untersagt.

„Souvent, les autorités accordent plus dʼimportance au statut administratif des personnes concernées quʼà leur protection“, bestätigt Ambre Schulz, Projektleiterin von Leilaw, der woxx gegenüber. Das sei besonders tragisch, weil Betroffene aus dem migrantischen Kontext sich oft vor einer Anzeige scheuten. Aus Unwissen über ihr Recht, Misstrauen gegenüber der Autoritäten, Sprachbarrieren oder der Abhängigkeit von den meist männlichen Tätern.

Isabel Da Silva erinnerte in dem Zusammenhang bei der Konferenz daran, dass die Aufenthaltsgenehmigung von Frauen aus Drittländern mit und ohne Kinder oft an die der Partner*innen gebunden sei, beispielsweise im Rahmen eines „regroupement familial“. Françoise Nsan-Nwet betonte: Auf diese Weise würden die Autoritäten ebenfalls Gewalt auf die Betroffenen ausüben und die Machtposition der Täter*innen stärken. Anders als Menschen, die sich in ihrem Heimatland befänden, drohe den Betroffenen bei einer Trennung zudem eher der Ausschluss aus ihrem ohnehin begrenzten Bekanntenkreis, zum Beispiel innerhalb einer Asylunterkunft.

Faten Khazaei und Sarah McGrath warnten trotz diesen Eigenheiten jedoch vor der Kulturalisierung häuslicher Gewalt. Sie unterstrichen, dass weder die Religion noch die ethnische Herkunft der Grund dafür sei. Gewalt beruhe auf dem Drang, Macht auszuüben. In Luxemburg bestehen allerdings diskriminierende Haltungen, wie sowohl Françoise Nsan-Nwet als auch Ioanna Bagia berichteten.

Nsan-Nwet erlebt oft, dass häusliche Gewalt gegen Personen mit Migrationshintergrund weniger ernst genommen oder heruntergespielt wird; Bagia, die mit ihrem Verein „Break the Cycle“ letztes Jahr Schulungen für Feuerwehrleute in Luxemburg zu häuslicher Gewalt anbot, erzählte von Vorurteilen – im Zuge der Weiterbildungen sei häusliche Gewalt vor allem als spezifisches Problem bestimmter Kulturkreise wahrgenommen worden. Khazaei brachte dies unter anderem mit der Rhetorik rechtsextremer Parteien in Verbindung: Sie instrumentalisierten den Diskurs über Gewalt gegen Frauen, um rassistische Positionen zu legitimieren.

Am Ende waren sich alle Beteiligten einig, dass es dringend Fortbildungen für alle Akteur*innen bedarf, die mit Interkulturalität, Justiz, Sozialarbeit und verwandten Feldern in Berührung kommen. Die Konferenz wurde aufgezeichnet und ist demnächst auf der Website von Passerell zu finden.