Schandflecken der Absurdität
Die Unterbringung von Flüchtlingen offenbart das Versagen des Luxemburger Staates

Der Rauswurf kam per Brief. Wie das Tageblatt Anfang April berichtete, mussten einige der insgesamt fast 4.000 geflüchteten Ukrainer in Luxemburg mit temporärem Schutzstatus aus ihren Unterkünften. Sie wurden per Brief vorgewarnt und dann darauf aufmerksam gemacht. Betroffen waren etwa 80 Familien in 57 Wohnungen.
Darunter ist ein Ehepaar, ein 59-jähriger Mann und seine 67-jährige Ehefrau. Letztere war erkrankt. Beide wehrten sich dagegen, in die Erstaufnahmestelle auf dem Kirchberg zurückkehren zu müssen. Unter den derzeitigen Bedingungen der Wohnungskrise ist es für sie fast unmöglich, auf dem regulären Immobilienmarkt eine feste Bleibe zu finden. Für sie ist es aber eine Horrorvorstellung, in die lagerähnlichen Zustände zurückzukehren.
Das genannte Ehepaar beschloss, sein Recht auf eine angemessene Unterkunft einzuklagen. Ihm war nach seiner Ankunft 2022 und einer vorübergehenden Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung ein Hotelzimmer und nach einem weiteren Jahr eine kostenlos von der Gemeinde zur Verfügung gestellte Wohnung in Düdelingen zugewiesen worden.
Verzweifelte Wohnungssuche
Betreut wurden die beiden vom Roten Kreuz. Dieses hatte nach eigenen Angaben seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine insgesamt 556 „Bénéficiaires de la protection temporaire“ (BPT) – 101 Männer, 219 Frauen und 236 Kinder unterstützt. Pro Jahr seien durchschnittlich fast 90 Wohnungen zur Verfügung gestellt worden.
Doch das Rote Kreuz entschied im Herbst vergangenen Jahres, sein Programm zur Bereitstellung von Wohnungen für die Personen unter temporärem Schutz bis zum März 2025 zu beenden, und benachrichtigte die betroffenen Personen postalisch. Das Ehepaar erhielt im Januar einen weiteren Brief, in dem es darauf aufmerksam gemacht wurde, die Wohnung bis zum 4. März zu verlassen.

Was das Ehepaar in eine schwierige Situation brachte. Es hieß, dass es ins „Centre de primo-accueil Tony Rollman“ zurückmüsse. Daran hatten die beiden schlechte Erinnerungen. In dem Zentrum hat sich nach Aussagen einiger Bewohner die Lage in jüngster Zeit in hygienischer Hinsicht verschlechtert, wie etwa der Generaldirektor des Roten Kreuzes, Michel Simonis, bereits im Oktober 2023 bestätigte.
Er wurde jüngst im Online-Magazin Reporter.lu zitiert, demzufolge das von staatlicher Seite zuständige „Office national de l’accueil“ (ONA) und die „Croix-Rouge“ sich gegenseitig die Verantwortung für die Situation zuschieben. Das genannte Ehepaar pochte im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht darauf, die Unterbringung in der aktuellen Wohnung weiter zu gewährleisten. Die zuständige Richterin folgte jedoch der Argumentation der staatlichen Seite. Unterdessen wurden die anderen Familien aufgefordert, ihre Wohnungen unverzüglich zu verlassen.
Konflikte und mangelnde Hygiene
Weil das ONA verpflichtet sei, die unter vorübergehendem Schutz stehenden Personen unterzubringen, müssten diese zumindest für eine kurze Zeit ins „Tony Rollman“ kommen. So wie eine Frau, die mit ihrem zehnjährigen Sohn dort untergebracht war. Wie andere Bewohner berichtete sie von den Zuständen in der Einrichtung, von nicht funktionierenden Heizungen und der mangelnden Hygiene, von Konflikten unter den Bewohnern und dem Druck vonseiten des Personals auf die Bewohner.
Von ähnlichen Verhältnissen erzählte eine Bewohnerin des „Bâtiment T“ auf Kirchberg. Die Struktur war vor drei Jahren für rund 1.200 Geflüchtete eingerichtet worden und hatte bereits nach kurzer Zeit die Grenzen ihrer Kapazität überschritten. Die ukrainisch-luxemburgische Hilfsorganisation LUkraine hatte eine ghettoähnliche Unterbringung der Geflüchteten kritisiert.
Eine Mutter von zwei Kindern berichtete in der genannten Tageblatt-Reportage von traumatischen Erlebnissen in der Einrichtung: „Anscheinend tut man alles dafür, dass wir wieder in die Ukraine zurückkehren.“ Sie berichtete von dem psychologischen Druck, den sie als „emotionale Folter“ beschrieb, indem man ihr drohte, „ihr die Kinder wegzunehmen“, wie sie dem Tageblatt Ende März sagte.
Dies habe sich seither nicht geändert, ist mittlerweile zu hören. Sie berichtete zudem von der fehlenden Privatsphäre in den Einrichtungen. Zumindest eine der intervierten Personen ist nach Informationen unserer Zeitung mittlerweile in eine andere Struktur verlegt worden. Die erwähnte zweifache Mutter muss weiter fürchten, dass ihr die Kinder weggenommen werden.
Angst vor Repressalien
Im Fall der Ukrainerinnen und Ukrainer in den Strukturen auf Kirchberg wurde diesen „nahegelegt“, dass sie nicht mehr an die Öffentlichkeit, etwa an die Presse, gehen sollten. Namentlich möchte niemand von ihnen genannt werden. Die Einschüchterung und ihre Angst vor Repressalien ist groß. Auch Journalisten ist das Betreten der Einrichtung nicht erlaubt. Hier wiederum wird auf die „Privatsphäre“ der Bewohner verwiesen.
Von einer vergleichbaren Situation in den Asyleinrichtungen berichtet ein junger Venezolaner, dessen Sohn getrennt von ihm und seiner Frau untergebracht war, und einer aus Eritrea, der nicht in derselben Asylunterkunft wohnte wie seine Frau und seine Kinder. Eine Eritreerin erlebte einen Schock, als sie einen gerichtlichen Bescheid bekam, in dem es hieß, dass sie mit ihren vier Kindern aus ihrer angemieteten Wohnung ausziehen müsse. Dank der Hilfsorganisation Life wurde sie schließlich bei der Wohnungssuche fündig.
Seit Jahren stellen die Flüchtlingsstrukturen und der Mangel an Kapazität ein Problem dar, das auch den Übergang vom früheren „Office luxembourgeois de l’accueil et de l’intégration“ (OLAI) zum ONA überdauert und das der zuständige Familienminister Max Hahn (DP) von seiner Vorgängerin und Parteifreundin Corinne Cahen „geerbt“ hat. Erfahrene Organisationen wie etwa die ASTI, die Plattform „Ronnen Dësch“ oder der „Lëtzebuerger Flüchtlingsrot“ (LFR) wurden zu wenig mit eingebunden.
Diese Entwicklung macht Luxemburg zu einem Teil einer globalen Lagerlandschaft
Dass es in Luxemburg seit 2015 eine Reihe von Änderungen in der Aufnahme von Asylbewerbern gegeben habe, stellen die beiden Migrationsforscher Léa Lemaire und Lucas Oesch in der Ausgabe der Zeitschrift Migration Studies vom Dezember 2024 fest: „Asylsuchende werden zunehmend in eigens dafür vorgesehenen Einrichtungen untergebracht und weniger in Hotels, Hostels, Sozialwohnungen oder umgebauten Gebäuden.“ Die Zahl der Bewohner sei gestiegen, während die Zahl der Einrichtungen gesunken sei. Dies deute darauf hin, dass Luxemburg seine Aufnahmekapazität durch die Vergrößerung seiner Einrichtungen erhöht habe; tatsächlich seien diese im Laufe der Zeit weniger, aber größer geworden.
„Diese Entwicklung – und die Tatsache, dass die Einrichtungen von den dort untergebrachten Menschen als ‚Lager‘ bezeichnet werden – mache Luxemburg zu einem Teil einer globalen Lagerlandschaft“, so Lemaire und Oesch, „das heißt, eines internationalen Prozesses, der aus einer großen Bandbreite und Vielfalt von Lagern besteht, denen Ausländer mit unterschiedlichem Status zugewiesen werden: von Lagern für Flüchtlinge und Binnenvertriebene bis hin zu Haft- und Aufnahmezentren.“ Exilanten würden zunehmend isoliert, Luxemburg bilde in dieser Hinsicht keine Ausnahme.
Generationen von Flüchtlingen

Derweil bestehen Flüchtlingsheime wie das Foyer Don Bosco auf Limpertsberg noch immer. Die bereits 1992 für die damaligen Flüchtlinge aus den Kriegen in Ex-Jugoslawien eröffnete Struktur hätte bereits im vorvergangenen Jahr schließen sollen. Schon nach zehn Jahren war es verwahrlost. Der Autor dieser Zeilen hat das damalige, von der „Croix-Rouge“ geleitete Foyer für Neuankömmlinge bereits vor mehr als 20 Jahren aufgesucht. Schon damals waren die Räume von Schimmel befallen. Zehn Jahre später, nach Beginn des syrischen Bürgerkrieges, kamen Tausende Menschen aus diesem, vom Krieg gebeutelten Land. Das notdürftig renovierte Foyer hat in den vergangenen 33 Jahren mehrere Generationen von Asylbewerbern aufgenommen. Ein „Schandfleck“, wie Reporter.lu schreibt, ist es geblieben.
Bei einem Plenum des „Ronnen Dësch“ in Lorentzweiler am 28. April wies der LFR in seiner Analyse auf die „systemischen Mängel“ in den Aufnahmestrukturen hin: Zahlreiche Einrichtungen würden die gesetzlichen Anforderungen für die Bewohnbarkeit nicht einhalten. Der LFR nannte „besorgniserregende hygienische Bedingungen, soziale Isolation und mangelhafte Verwaltung“ bis hin zur anhaltenden Diskriminierung von Personen, die um internationalen Schutz nachsuchen. Diese Situation stelle ein ernsthaftes Risiko für die öffentliche Gesundheit dar. Der LFR forderte unter anderem eine Task Force zu den Unterbringungsstrukturen und ein System zur Überwachung der Maßnahmen – unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Flüchtlingen.