Eine Diskussion im Sinne von Demokratie kann nie falsch sein
Armand Back, Editorial, tageblatt 7.Juni 2025
Zehn Jahre Referendum: Eine Diskussion im Sinne von Demokratie kann nie falsch sein

2015 scheiterte die Öffnung der Demokratie. Heute deutet sich ein Meinungsumschwung an.
Nein, nein, nein hieß es heute vor zehn Jahren auf die Fragen jenes Dreifachreferendums, das Luxemburg demokratischer machen sollte. Im Zentrum stand das vorgeschlagene Ausländerwahlrecht. Knapp 80 Prozent lehnten es damals ab. Nun liefert eine von der ASTI in Auftrag gegebene und vom Umfrageinstitut Ilres durchgeführte Befragung ein überraschendes Ergebnis: Zwei Drittel der Einwohner und 58 Prozent der Wahlberechtigten in Luxemburg würden demnach ein Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer befürworten. Die 2024 durchgeführte Polindex-Studie deutet, wenn auch erheblich weniger stark, einen ähnlichen Umschwung an.
Blick zurück: Im Koalitionsabkommen von DP, LSAP und „déi gréng“ von 2013 stand das Kapitel des „Renouveau démocratique“ ganz vorne an prominenter Stelle. Damals sollten die Fenster geöffnet werden, damit sich der CSV-Mief verziehe, wie es hieß. Ursprünglich geplant war ein Referendum zu vier Kernfragen: Trennung von Kirche und Staat, Wahlrecht für Ausländer, Amtszeitbegrenzung für Minister und Senkung des Wahlalters auf 16. Die Frage nach der Trennung von Kirche und Staat wurde dann zugunsten eines für Erzbistum und CSV mehr als vorteilhaften Abkommens fallengelassen.
Drei Fragen blieben – und eigentlich hießen die drei Antworten sogar nein!, nein!, nein!, mit Ausrufezeichen also, so deutlich war die Ablehnung im Land. Um die Deutung dieses Ergebnisses wird bis heute gerungen. Eine Abstrafung der damaligen Regierung für den „CSV-Sturz“ und die Sparpolitik des „Zukunftspak“? Oder doch die wortwörtliche Ablehnung der demokratischen Beteiligung unserer ausländischen Mitbewohner?
Es war eine schallende Ohrfeige für die Befürworter des dreifachen Ja. Darunter Koalition, Gewerkschaften, Arbeitgeber, Medien (auch das Tageblatt), Kulturschaffende und Kirche. Sie wirkten, als hätten sie den Kontakt zur Bevölkerung verloren. Als Sieger inszenierten sich die Gegner: CSV, CGFP, ADR und die Bewegung „Nee2015.lu“, aus der später der „Wee 2050“ wurde. Mit Fred Keup und Tom Weidig prägen heute zwei zentrale Figuren dieser Bewegung die ADR und haben sie klar nach rechts geführt. Politologe Philippe Poirier erinnerte jetzt in der Onlinezeitung LuxTimes daran, dass auch die CGFP sich damals „der klassischen Sprache der extremen Rechten“ bediente. Kurz: Das reaktionäre Lager triumphierte über das progressive – mit der ersten politisch wirksamen Desinformationskampagne auf Social Media, genährt von den Ängsten vieler Luxemburgerinnen und Luxemburger.
Zehn Jahre später lässt sich das Referendum durchaus als Rückschlag für eine Öffnung der Demokratie deuten. Die Idee eines modernen, inklusiven Luxemburgs erlitt Schiffbruch. Doch das Thema ist nicht verschwunden und wurde von verschiedenen Akteuren auch weiterhin thematisiert. Das Jubiläum bringt es aber noch prominenter auf die politische Tagesordnung – nicht, weil die Meinungen sich radikal verändert hätten, sondern weil sich das Land der alten Antworten nicht mehr so sicher ist.
Zu Recht. Schon 2015 zeigte eine Ilres-Schätzung, die das Land nun wieder ans Licht geholt hat, dass ein Ja bloß rund 35.000 zusätzliche Wähler gebracht hätte. Bei den Wahlen 2023 gingen mehr als 250.000 zur Urne. Von einer „feindlichen Übernahme“, wie sie damals von der Nein-Seite teilweise beschworen wurde, konnte also nie die Rede sein. Diese Rhetorik war nicht nur überzogen, sie war bewusst irreführend.
Doch Luxemburg hat sich seitdem verändert, und es wird sich weiter verändern. Auch wenn das Thema Ausländerwahlrecht unter einer CSV-DP-Regierung kein Thema sein wird, kann eine Diskussion im Sinne von Demokratie und Mitbestimmung nie falsch sein. In Luxemburg ist sie sogar bitter nötig. Die Chamber wird nur noch von einem Drittel der Bevölkerung gewählt. Das erinnert eher an die Zeiten vor 1919 und das Zensuswahlrecht, als die Kammer den Notablen vorbehalten war – und passt nicht zu einem modernen Luxemburg. Daher: Wir müssen reden, immer.