Migration: country by country
La Commission européenne vient d’éditer (en anglais) un atlas des migrations pays par pays pour pas moins de 420 pays et territoires.
les 2 pages sur le Luxembourg ici
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Luxemburgs Außenminister Asselborn will eine europäische Lösung im Fall der minderjährigen Flüchtlinge in Griechenland. Für Blockierer fordert er im SPIEGEL finanzielle Konsequenzen.
Als Grandi 2016 sein Amt als Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge antrat, steckte Europa mitten in der Flüchtlingskrise. Seitdem muss er Antworten finden auf eine der drängendsten Fragen unserer Zeit: Was tun, wenn sich immer mehr Menschen auf der Flucht befinden, aber immer weniger Staaten bereit sind, Vertriebene aufzunehmen? Grandi, 62, ist Chef einer Behörde mit mehr als 16 000 Mitarbeitern, die von den griechischen Inseln bis Uganda im Einsatz sind. Am Dienstag eröffnete er das Global Refugee Forum in Genf, eine der größten Flüchtlingskonferenzen der Geschichte.
SPIEGEL: Herr Grandi, während sich vor allem Industrienationen abschotten, sind so viele Vertriebene auf der Flucht wie noch nie. Wie gehen Sie mit diesem Dilemma um?
Grandi: Die finanzielle Unterstützung der Staaten ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Deutschland gibt uns viermal so viel Geld wie noch vor rund zehn Jahren. Aber Sie haben recht, insbesondere die reichen Staaten des globalen Nordens sind immer weniger bereit, Flüchtlinge aufzunehmen. Es braucht Programme, mit denen ausgewählte Flüchtlinge direkt aus einem Krisengebiet in ein sicheres Land gebracht werden.
SPIEGEL: Allerdings stellen die Staaten immer weniger Plätze für solche Umsiedlungen zur Verfügung.
Grandi: Das ist in der Tat sehr besorgniserregend. Die USA haben ihr Resettlement-Programm drastisch zusammengekürzt. Sie geben an, dass sie Probleme haben, die Flüchtlinge auszuwählen und zu überprüfen. Ich hoffe, dass die amerikanische Regierung diese Probleme bald löst und wieder mehr Kapazitäten schafft.
SPIEGEL: Hinter der Entscheidung steht vor allem Donald Trump. Aber die EU setzt auf einen ähnlichen Ansatz, auch sie schottet sich zunehmend ab.
Grandi: Da muss man unterscheiden: Es gibt Probleme mit irregulärer Migration, mit Zuwanderern, die eher aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land verlassen. Die müssen wir von Flüchtlingen unterscheiden. Das ist kompliziert, aber wichtig.
SPIEGEL: Legale Wege in die EU gibt es aber auch für Flüchtlinge kaum noch, weil die Grenzen vielerorts dicht sind. Sie sind größtenteils gezwungen, illegal einzureisen, wenn sie Asyl beantragen wollen.
Grandi: Das stimmt. Aber es ist wichtig, auf irreguläre Migration zu reagieren, um zu vermeiden, dass zu viele Menschen das Asylsystem missbrauchen. Viele irreguläre Migranten haben keine andere Wahl, als Asyl zu beantragen, und überlasten so das Asylsystem – das muss korrigiert werden. Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass irreguläre Migranten Menschen sind. Ihre Rechte und ihre Würde müssen gewahrt werden. Es ist niederschmetternd zu sehen, wie Migranten dämonisiert und stigmatisiert werden.
SPIEGEL: Andauernde Kriege, Hungersnöte, dazu die Folgen des Klimawandels: In den kommenden Jahren werden eher mehr Menschen flüchten als weniger. Ist die Welt darauf vorbereitet?
Grandi: Sie ist nicht sehr gut vorbereitet. Neue Fluchtursachen wie der Klimawandel wirken sich auf verschiedene Arten aus: Menschen werden etwa nach und nach von untergehenden Inseln fliehen – den Umgang damit kann man planen. Sie werden auch fliehen, weil Naturkatastrophen häufiger vorkommen und größere Schäden anrichten werden – diese Menschen werden ihre Heimat plötzlich verlassen, aber könnten irgendwann zurückkehren. Auf jede dieser Fluchtursachen müssen Staaten mit unserer Hilfe eine maßgeschneiderte Antwort finden.
SPIEGEL: Muss die Genfer Flüchtlingskonvention ausgeweitet werden, um auch Klimaflüchtlinge anzuerkennen?
Grandi: In der gegenwärtigen politischen Situation wäre es äußerst unklug, den Geltungsbereich der Konvention zur Debatte zu stellen. Jeder Versuch, die Konvention zu reformieren, würde mit ziemlicher Sicherheit aktuell dazu führen, dass die Flüchtlingsdefinition verengt oder die gesamte Konvention infrage gestellt würde.
SPIEGEL: Das halten Sie für möglich?
Grandi: Ja, fast überall auf der Welt haben Politiker Erfolg damit, Flüchtlinge als Sicherheitsproblem oder Invasoren zu bezeichnen. Die Gefahr ist, dass das Konzept des Flüchtlingsschutzes ganz verschwindet. Wenn ich Regierungen in Afrika, Lateinamerika und anderen Teilen der Welt auffordere, ihre Grenzen angesichts großer Flüchtlingsströme offen zu halten, fragen sie mich, warum sie das tun sollten. Schließlich wollen sich selbst reichere Länder abschotten. Die EU nimmt derzeit vergleichsweise wenige Flüchtlinge auf – gleichzeitig hat sie mehr Ressourcen zur Verfügung. Europa hat deswegen eine Verantwortung, Flüchtlingen weiterhin Schutz zu bieten.
SPIEGEL: Sie haben beim Global Refugee Forum auch Unternehmen wie Lego und Ikea eingeladen mitzudiskutieren. Sollen jetzt Firmen helfen, wenn sich immer weniger Staaten für den Flüchtlingsschutz engagieren?
Grandi: Nein, die Unterstützung von Flüchtlingen liegt in erster Linie in der Verantwortung von Staaten. Aber warum sollten wir nicht um die Hilfe anderer Akteure werben und Unternehmen einbinden? Wir leben in einer Zeit, in der Flüchtlinge oftmals als Problem dargestellt werden. Da ist jede zusätzliche Hilfe willkommen. Außerdem helfen private Akteure dabei, Arbeitsplätze zu schaffen und Regionen wirtschaftlich voranzubringen, die viele Flüchtlinge aufnehmen.
SPIEGEL: Auf den griechischen Ägäisinseln leben derzeit mehr als 40 000 Migranten und Flüchtlinge in Lagern unter unmenschlichen Bedingungen. Warum schaffen es das UNHCR, die EU und der griechische Staat nicht, diese Menschen angemessen zu versorgen?
Grandi: Ich war vor drei Wochen in Griechenland und habe mit der Regierung gesprochen. Die Zahl der Ankünfte auf den Ägäisinseln war lange Zeit sehr niedrig, aber in den vergangenen Monaten ist sie wieder gestiegen. Unsere Priorität ist es, die Inseln zu entlasten, indem mehr Menschen auf das Festland gebracht werden.
SPIEGEL: Das Flüchtlingsabkommen zwischen der Türkei und der EU sieht aber vor, dass die Asylbewerber bis zu ihrem Bescheid auf den Inseln bleiben.
Grandi: Die griechische Regierung will in den kommenden Monaten 20 000 Asylbewerber aufs Festland bringen, um die Zustände zu verbessern. Anders geht es nicht. Die Kinder werden zuerst von den Inseln gebracht. Kurzfristig ist das die beste Lösung.
SPIEGEL: Die griechische Regierung hat zudem angekündigt, geschlossene Lager zu bauen. Was halten Sie davon?
Grandi: Von außergewöhnlichen Situationen abgesehen, sind wir gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden, auch wenn sie in vielen Ländern der Welt Routine ist. Wir müssen nun abwarten, wie die Pläne umgesetzt werden.
SPIEGEL: Wie lange werden Ihre Mitarbeiter in der Ägäis bleiben?
Grandi: 2015 glaubten wir, dass wir nur kurz und ausnahmsweise in Griechenland aktiv werden müssten. Es ist überhaupt das erste Mal, dass das UNHCR eine große Operation in der Europäischen Union organisiert hat, was zeigt, dass es in Europa eine humanitäre Krise gibt. Aber ich habe Premierminister Kyriakos Mitsotakis gesagt, dass wir Griechenlands eigene Kapazitäten ausbauen sollten. Unsere knappen Ressourcen werden in Afrika, Asien und dem Nahen Osten gebraucht.
SPIEGEL: Die EU bezahlt die libysche Küstenwache dafür, dass sie Flüchtende auf dem Meer abfängt. Viele enden in Inhaftierungslagern unter schrecklichen Bedingungen. Halten Sie das für legitim?
Grandi: Menschen in den eigenen Territorialgewässern abzufangen ist nicht illegal. Die Europäer können libysche Institutionen stärken, wenn sie das für richtig halten. Aber ich habe mit dem Ansatz zwei Probleme: Erstens wurde neben der Küstenwache keine andere Institution im Land gestärkt. Und so landen Migranten und Flüchtlinge in Inhaftierungslagern, sobald sie an Land gebracht werden. Zweitens hat die EU ihre eigenen Rettungskapazitäten reduziert, und einige Politiker haben zudem die zivilen Retter kritisiert, die eingesprungen sind. Es wurde sogar so dargestellt, als würden wegen der NGOs noch mehr Menschen fliehen, obwohl das statistisch nicht belegt ist. Das ist eine Schande.
SPIEGEL: Wie ist die Situation in den Inhaftierungslagern?
Grandi: Das sind schreckliche Orte. Allerdings nimmt die Zahl der Menschen, die in den offiziellen, uns bekannten Lagern gefangen sind, zum ersten Mal ab. Das Problem ist, dass in Libyen selbst außerhalb der Lager die Situation für Migranten sehr gefährlich ist. Draußen tobt der Krieg, vor allem subsaharische Migranten werden gekidnappt und ausgenutzt.
SPIEGEL: Im Internet kursiert ein UNHCR-Dokument, in dem steht, dass in einem Flüchtlingslager in Tripolis einige Migranten bald kein Essen mehr bekommen werden. Dem UNHCR wird vorgeworfen, diese Menschen aushungern zu wollen, um sie aus der überfüllten Einrichtung zu vertreiben.
Grandi: Auch Migranten oder Flüchtlinge, die das Zentrum verlassen, bekommen von uns weiterhin Hilfe, auch in Form von Geld. Ich verstehe die Frustration dieser Menschen, wirklich. Das Dilemma, mit dem wir in Libyen konfrontiert sind, ist ein wiederkehrendes Element unserer Arbeit: Entweder wir bleiben und leben mit den Schwierigkeiten vor Ort und mit den moralischen Herausforderungen. Dann können wir ein paar Menschen retten und ausfliegen. Oder wir entscheiden, dass wir keine Kompromisse machen, und verlassen das Land. Die Situation ist ohne Zweifel eine der schwierigsten, in denen wir uns seit Jahren befunden haben.
SPIEGEL: Sie sind beinahe täglich mit Leid und Elend konfrontiert. Wie hat Ihre Arbeit Ihren eigenen Blick auf die Welt verändert?
Grandi: Ich schaue besorgter auf die Welt als noch vor ein paar Jahren. Aber ich bin nicht naiv. Wenn ich glaubte, dass wir nichts mehr tun könnten, würde ich diesen Job nicht mehr machen. Ich denke, dass uns noch Zeit bleibt, um Lösungen zu finden, die nicht aus Zäunen und Mauern bestehen. Aber viel Zeit haben wir nicht mehr.
Le Parlement européen a rejeté, jeudi, par une très courte majorité une résolution visant à renforcer le sauvetage de migrants en Méditerranée.
Les eurodéputés luxembourgeois se voient fortement critiqués
« Blutt un den Hänn, gemeinsam Saach mat Rietsextremen »:
EU-Deputéiert reagéieren
Carte blanche vum Paul Estgen op RTL 2. Oktober 2019
Virun en puer Wochen huet Madamm Ursula von der Leyen, déi designéiert Presidentin vun der Europäescher Kommissioun hir Ressortverdeelung fir déi nei Kommissioun virgestallt. D’Propositioun fir e Ressort mam Numm vum « Schutz vun der europäescher Liewensweis » ze schafen, huet fir vill Opreegung gesuergt. Dozou eng Carte Blanche vum Paul Estgen, Soziolog um Centre Jean 23.
D’Ukënnegung vun der designéierter Presidentin vun der Europäescher Kommissioun ass mat ganz gemëschte Gefiller opgeholl ginn. Verschidde grouss politesch Gruppen aus dem Europaparlament hu ganz kloer zum Ausdrock bruecht, dass dat absolut net akzeptabel ass. Et geet hei manner ëm eng Konzeptklärung, wat een dann ënnert «europäescher Liewensweis » géif verstoen, wei ëm de politeschen Hannergrond. An de Ressort gehéiert dann och d’Migratioun an d’Asylpolitik dozou. Domadder ass jo ënnerschwelleg kloer, dass Madamm von der Leyen d’Migratioun an d’Asylfro als Menace gesäit vun der europäeschen Liewensweis. Jidderee versteet jo gutt, dass et sech heibäi haaptsächlech ëm e Schachzuch handelt, fir déi riets-extrem Tendenzen an Europa ze berouegen. Mä et ass fir mech erschreckend , dass intelligent Leit, déi sech melle fir déi héchsten europäesch Ämter, sech net ze schued sinn, esou Ieselzegkeeten an d’Welt ze setzen. Wéi wann d’Bierger net minimal kënne matdenken, an op en esou plompt Manöver géifen erafalen.
Wann een déi Propositioun géif eescht huelen, dann misst sech jo kennen en kloert Bild maachen, wat dann di Europäesch Liewensweis ass. Wann et se gëtt, géif dat heeschen, dass mer se sou kennen definéieren, dat mer se genau sou bei dem Paräisser Bänker erëmfannen, wei beim rumänesch Bauer; dass dat genau sou gesinn gëtt bei den Finnen an am Norden , wei den Malteser am Süden, dass d’Liewensweis vun mengen Elteren sech net fundamental ënnerscheet vun dem vun mengen Kanner. An wat ass iwwerhaapt Liewensweis ? Denken mer do éischter un en Liewensstil oder iwwert Grondwäerter déi ons Kultur ënnermaueren ? Mee dann hätt en besser et géif en vun europäescher Kultur oder Identitéit schwätzen.
An der Soziologie gëtt dës Begrëfflechkeet vun „Liewensweis“ jiddefalls net vill hier, fir ze verstoen, wat d’Kommissioun dann elo domadder mengt.
Natierlech gouf d’Madamm von der Leyen dorops ugeschwat. Si berifft sech dann op Grondwäerter, déi am EU-Vertrag stinn: Mënschenwierd, Fräiheet, Demokratie, Gläichheet an Rechtsstaatlechkeet. An dësem Sënn wär et dann éischter ubruecht, fir den «Schutz vun den europäeschen Grondwäerter» als Titel ze benotzen. An da kéint een och d’Zesummeleeë vun der Fro vu Migratioun an Asyl an dësem Kontext als e positive Schrëtt deiten: eng europäesch Politik, déi sech elo endlech ëm eng kohärent Migratiouns an Flüchtlingspolitik këmmert. Dat heescht, dass mer aus Grënn vun der Mënschewierd direkt domadder ophalen Diktaturen ze bezuelen, domadder mengen ech Tierkei a Libyen, fir ons d’Flüchtlinge vum Hals ze halen. Dass dann Europa alles a Beweegung setzt, fir d’Leit aus dem Mëttelmier ze retten, dass mer eng aner Léisung sichen, fir d’Flüchtlingen op Lesbos, wou se ënnert dramatesche Konditioune mussen drop waarden, ob se ugeholl ginn, fir eng Asylprozedur. Dass mer endlech Dublinreegelen ofänneren, Prinzip wou d’Flüchtlingen an deem Land wou se ukommen och musse bleiwe, a wat just d’Symbol ginn ass vun engem Europa ouni Solidaritéit tëscht de Länner.
Fir mech also e kloren Nee zu engem Ressort mam Numm „Schutz vun der europäescher Liewensweis“ , mä e kloert Jowuert zu eng Titel : „Schutz vun den europäeschen Grondwäerter“. Ons Liewensweis ka roueg verschidde sinn, mä ech hoffen, dass mer als Europäer eng Rëtsch vu Grondwäerter deelen, an dann och bereet sinn, dës ze verdeedegen.
En réponse à une question parlementaire du député Fernand Kartheiser le Ministre Jean Asselborn a fourni les informations suivantes :
Sait 2018 sinn an deem Kader 41 Leit zu Lëtzebuerg ukomm. Des Persoune waren op der MV Lifeline, der Aquarius, der Seawatch Ml, der Alan Kurdi an der Cigala Fulgosi. Wat d’Nationalitéit vun de Leit ubelaangt, esou waren et 17 Persounen aus dem Sudan, 7 aus Eritrea, 6 aus Somalia, 4 aus dem Nigeria, a 7 Leit ausdiversen anere Lânner. Dorënner waren 39 Manner, 1 Fra an 1 Kand.
par Agnes Rausch
Open Arms, Ocean Viking, Aquarius, Sea Watch, tels sont les noms de navires de sauvetage en Méditerranée, dont on peut entendre régulièrement parler dans les nouvelles. Ils sont affrétés par des ONG allemande, française, italienne, espagnole, comme Médecins sans Frontières, SOS Méditerranée, Proactiva. A bord des équipes de bénévoles engagés, composées de marins compétents, d’un personnel médical dévoué, de médiateurs culturels et parfois même d’experts en communication. Ils ont une chose en commun: vouloir sauver des vies humaines et ceci dans le strict respect du droit international de la mer.
»Diese Politik ist ein Verbrechen«
Der israelische Anwalt Omer Shatz hat Angela Merkel und andere EU-Verantwortliche vor dem Strafgerichtshof in Den Haag verklagt. Sein Vorwurf: Sie tragen schwere Schuld am Elend der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer
DIE ZEIT: Herr Shatz, seit 2014 sind mehr als 18.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Wir Journalisten schreiben von Unglücken, Politiker sprechen von einer Tragödie. Sie sind Anwalt. Wie nennen Sie das, was auf dem Mittelmeer passiert?
Omer Shatz: Ein Verbrechen. Jahrelang wurde uns weisgemacht, es sei ein tragisches Ereignis, eine Art Naturkatastrophe. Die Beweise, die ich mit meinem Kollegen Juan Branco und mit meinen Studenten über drei Jahre hinweg gesammelt habe, zeigen aber: Die Toten sind fester Bestandteil des Plans, die Migrationsströme aus Afrika einzudämmen. Diese Politik wurde in den letzten fünf Jahren vorsätzlich entworfen und umgesetzt. Sie ist keine Tragödie: Sie ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
ZEIT: Was genau meinen Sie damit?
Shatz: Dass wir es mit einem systematischen Angriff auf die Zivilbevölkerung zu tun haben. In diesem Fall: auf Migranten, die im Mittelmeer ertrinken oder von der libyschen Küstenwache zurück nach Libyen gebracht werden. Viele landen in Lagern, wo sie gefoltert, versklavt, vergewaltigt werden – und oft erst freikommen, wenn sie oder ihre Familien Geld zahlen.
ZEIT: Sie haben deshalb beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Klage gegen die EU eingereicht. Der Strafgerichtshof ermittelt nicht gegen Staaten, nur gegen Individuen. Wen wollen Sie zur Verantwortung ziehen? Jean-Claude Juncker? Angela Merkel?
Shatz: Ja. Spitzenpolitiker wie Juncker, Merkel oder Emmanuel Macron, aber auch die vielen Helfer auf den mittleren Ebenen der Macht: die Bürokraten in Brüssel, die Beamten in den Ministerien, die Kapitäne der Frontex-Schiffe. Und es gibt noch die Akteure in Libyen. Die Küstenwächter zum Beispiel oder die libysche Behörde, die die Lager unterhält. Gegen einige ermittelt der Internationale Strafgerichtshof bereits.
ZEIT: Wenn der Strafgerichtshof schon ermittelt, wozu Ihre Klage?
Shatz: Weil die Ermittlungen sich bislang auf libysche Täter beschränken. Wir wollen, dass sie ausgeweitet werden auf die Verantwortlichen in der EU.
ZEIT: Glauben Sie wirklich, dass der Internationale Strafgerichtshof, der Diktatoren und Warlords verurteilt, Ermittlungen gegen Merkel und Juncker einleitet?
Shatz: Mein Mitstreiter Juan Branco hat am Internationalen Strafgerichtshof gearbeitet, er weiß, wie eine Anklageschrift aussehen muss, damit sie ernst genommen wird. Wir haben drei Jahre recherchiert, haben unzählige zum Teil geheime Dokumente studiert, Experten der Vereinten Nationen und renommierte Völkerrechtsexperten konsultiert. Es ist nicht so, dass hier zwei durchgeknallte Typen auf einen Kreuzzug gegen Merkel und Macron gehen. Wir haben eine sehr solide juristische Argumentation entwickelt, die auf starken Beweisen fußt.
ZEIT: Was werfen Sie Merkel und den anderen konkret vor?
Shatz: Erstens: Mord durch unterlassene Hilfeleistung. Das betrifft die Politik der EU zwischen 2014 und 2015, nachdem die italienische Rettungsmission Mare Nostrum eingestellt wurde. Zweitens: das Outsourcen der Seenotrettung an die libysche Küstenwache und die Rückführung der Migranten nach Libyen, wo sie Opfer schwerster Verbrechen werden. Dieser zweite Punkt betrifft die aktuelle Politik der EU-Mitgliedsstaaten, die wir seit 2016 beobachten können. 2015 war die libysche Küstenwache lediglich an 0,5 Prozent der Rettungsaktionen beteiligt. Heute sind es etwa 90 Prozent.
ZEIT: Die EU lässt die Migranten nach Libyen bringen. Die Verbrechen in den Lagern werden aber nicht von EU-Politikern verübt.
Shatz: Ohne die Migrationspolitik der EU bräuchte es die Lager nicht. Die Akteure aus der EU treten natürlich nicht direkt als Täter auf. Sie nutzen die Libyer als Handlanger. Ein klassisches Muster im internationalen Strafrecht, das findet man überall.
ZEIT: Wo noch zum Beispiel?
Shatz: Wissen Sie, ein Teil meiner Familie wurde während des Holocausts getötet – von Litauern und Polen, aber die Politik dahinter stammte von den Deutschen. Oder nehmen Sie die afrikanischen Warlords, die hatten ebenfalls ihre Vollstrecker. Meist sind es einfache Soldaten und Milizionäre, kleine Leute. In unserem Fall zum Beispiel die Offiziere der libyschen Küstenwache. Im Auftrag der EU fangen sie Migranten ab und bringen sie nach Libyen zurück. Die EU schaut dabei zu, und zwar wortwörtlich. Es gibt ein Video vom November 2017. Man sieht darauf, wie die Libyer versuchen, ein Schiff der Organisation Sea-Watch bei der Rettung von Migranten zu stören. Dabei sterben rund 20 Menschen, vor den Augen der EU-Vertreter, die ebenfalls vor Ort sind. Wie in einem Theaterstück stehen sie am Rande der Szenerie: ein französisches Marineschiff, ein portugiesischer Helikopter, ein italienisches Schiff. Keiner hilft bei der Rettung. Sie schauen tatenlos zu, wie die Menschen ertrinken.
ZEIT: Wie erklären Sie sich das?
Shatz: Es gibt ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2012, das zu kennen in diesem Zusammenhang wichtig ist. Dafür müsste ich ein wenig ausholen.
ZEIT: Bitte.
Shatz: 2012 sprach der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das sogenannte Hirsi-Urteil. Es ging darin um eine Gruppe von Somaliern und Eritreern, die im Jahr 2009, also noch zu Gaddafis Zeiten, von Libyen nach Italien fliehen wollten. Sie wurden von der italienischen Küstenwache gerettet, aber zurück nach Libyen gebracht. Einige von ihnen haben daraufhin gegen Italien geklagt – mit Erfolg. Das Urteil hat zwei Dinge klargestellt. Erstens: Wer im Mittelmeer Menschen rettet, darf sie nicht einfach irgendwo absetzen, sondern nur in einem sicheren Land. Zweitens: Libyen ist kein sicheres Land. Das Hirsi-Urteil galt als bahnbrechend und sollte die Rechte der Migranten im Mittelmeer stärken, aber es hatte fatale Folgen. Es war einer der Gründe, warum die EU sich auf lange Sicht von der Seenotrettung zurückzog.
ZEIT: Die EU hat doch die libysche Küstenwache aufgebaut, damit sie die Menschen rettet.
Shatz: Ja. Eine Küstenwache, die so unprofessionell ist, dass sie lange nicht mal in der Lage war, auf hoher See einen Fisch zu fangen – und die in ihren Reihen Kriminelle hat, die vom Menschenschmuggel profitieren. Wir haben die Aussage eines Zeugen, der von der libyschen Küstenwache abgefangen wurde. Bei seinem zweiten Versuch, über das Mittelmeer zu fliehen, schaffte er es nach Sizilien. Er sagt, die libyschen Küstenwächter, die ihn beim ersten Mal aufgegriffen haben, seien dieselben Leute gewesen, die ihn später auf das Schlepperboot nach Europa setzten. Die Küstenwache ist in den Menschenschmuggel involviert. Und die EU bildet diese Küstenwache aus, schickt Geld, Schiffe, Ausrüstung, für Hunderte Millionen Euro – unser aller Steuergeld.
ZEIT: Falls der Strafgerichtshof in Den Haag die Ermittlungen überhaupt einleitet: Was genau hätten Sie gegen Europas Politiker denn tatsächlich in der Hand?
Shatz: Im Fall von Angela Merkel können wir zum Beispiel zeigen, dass sie über die Zustände in Libyen sehr genau Bescheid wusste. 2017 erhielt sie eine Nachricht vom deutschen Botschafter in Niger. Er schrieb, es gebe in Libyen Lager, in denen täglich vergewaltigt und gefoltert werde. Er verglich diese Lager mit den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Er hat tatsächlich diesen Begriff benutzt: Konzentrationslager. Drei Tage später hat Merkel die Erklärung von Malta unterzeichnet – jenes Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und Libyen, das unter anderem die Rückführung der Migranten nach Libyen regelt.
ZEIT: Die deutsche Regierung hat auf Ihre Vorwürfe reagiert. Sie sagt, Deutschland habe 300 Menschen aus den libyschen Lagern befreit und ausgeflogen.
Shatz: Das stimmt. Aber was ist mit den anderen rund 40.000 Menschen, die allein zwischen 2016 und 2018 auf dem Mittelmeer abgefangen und in die Lager gebracht wurden?
ZEIT: Die deutsche Regierung sagt auch, sie wolle helfen, die Bedingungen in den libyschen Lagern zu verbessern.
Shatz: Wenn man es mit Konzentrationslagern zu tun hat, dann verbessert man dort nicht die Bedingungen – man schließt sie. Wir führen in der EU einen orwellschen Diskurs. Seit ein paar Wochen, seit im Zuge der Kämpfe in Libyen ein Lager bei Tripolis bombardiert wurde und mehr als 40 Menschen starben, plädiert die EU offiziell dafür, inhaftierte Migranten aus Libyen zu evakuieren. Gleichzeitig fängt die libysche Küstenwache weiterhin Migranten ab und bringt sie in die Lager – im Auftrag der EU. Die Lager sind eine tödliche Maschine, und die EU versorgt diese Maschine mit immer neuen Menschen.
ZEIT: Viele Europäer glauben, die Menschen müssten nach Libyen gebracht werden, damit andere nicht ermutigt werden, die gefährliche Fahrt übers Meer anzutreten.
Shatz: Das ist das Pullfaktor-Argument. Es hält sich hartnäckig, obwohl die Fakten dagegensprechen. Aber selbst wenn es den Pullfaktor gäbe, würde ich dafür plädieren, Menschen aus der libyschen Kriegszone zu befreien. Selbst wenn es Terroristen wären, die vor der libyschen Küste ertrinken, wäre ich dafür, sie zu retten – und sie dann einzusperren.
ZEIT: Was sagen Sie zu dem Argument, die Menschen in den Schlauchbooten seien Wirtschaftsmigranten, die sich freiwillig auf den Weg machten – und deshalb keine Hilfe erwarten könnten?
Shatz: Natürlich können wir, wenn wir gemütlich beim Cocktail sitzen, auch dieses Argument diskutieren. Aber wir sollten dabei eines nicht vergessen: Viele Menschen sind als Wirtschaftsmigranten nach Libyen gekommen. Aber wenn sie es aus Libyen herausschaffen, sind sie keine Wirtschaftsmigranten mehr. Sie sind Überlebende. Libyen ist ein Kriegsgebiet, in dem gefoltert, vergewaltigt und getötet wird. Was wir ebenfalls nicht vergessen sollten: Es ist keine humanitäre Geste, Menschen zu retten. Es ist unsere Pflicht. Es geht hier nicht um die politische Frage, ob wir schutzbedürftige Menschen aufnehmen wollen. Es geht um juristische Pflichten.
ZEIT: Auch diese Pflichten sind mittlerweile politisch umstritten.
Shatz: Ja, es zwingt auch niemand die EU, sich Verträgen zu unterwerfen, die das Leben von Menschen schützen. Historisch betrachtet ist es eine relativ neue Idee, nicht nur Staatsbürger, sondern Menschen per se zu schützen. Diese Idee wurde zwar in Europa erfunden, aber natürlich können die Europäer aus der Genfer Flüchtlingskonvention, die einst als Konsequenz aus dem Holocaust entstand, ohne großen Aufwand wieder austreten. Am Ende geht es um die Frage, wer wir sein wollen. Wollen wir die Menschenrechte schützen oder nicht?
ZEIT: Sie sind nicht der Erste, der die Migrationspolitik der EU verurteilt. Amnesty International hat das getan, Ärzte ohne Grenzen, die Vereinten Nationen, der Papst. Warum sollte ausgerechnet Ihre Klage etwas verändern?
Shatz: Organisationen wie Amnesty International sehen das, was in Libyen und auf dem Mittelmeer passiert, durch die Brille von Menschenrechtlern. Wir schauen es uns aus der Perspektive des internationalen Strafrechts an. Wir sagen: Was hier passiert, sind nicht nur Menschenrechtsverletzungen, es sind Verbrechen. Das ist ein großer Unterschied.
ZEIT: Der Strafgerichtshof in Den Haag ist nicht dafür bekannt, gegen westliche Verdächtige vorzugehen.
Shatz: Ja. Als die Chefanklägerin des Gerichtshofs mögliche Kriegsverbrechen der US-Armee in Afghanistan untersuchen wollte, bekam sie dafür keine Zustimmung von den Richtern. Die USA hatten Druck auf das Gericht ausgeübt. In unserem Fall stammen dagegen alle Verdächtigen aus der EU, und deren Mitgliedsstaaten haben das Statut des Gerichtshofs unterzeichnet. Deshalb kann die Chefanklägerin hier einfach ermitteln, sie muss die Richter nicht um Erlaubnis fragen. Was helfen könnte, ist die Tatsache, dass die Verbrechen, um die es geht, nicht wie üblich in der Vergangenheit liegen. Sie dauern an – auch wenn wir es oft gar nicht mehr merken. Vor wenigen Wochen erst sind vor Tunesien rund 80 Menschen ertrunken – und kaum jemand hat darüber berichtet.
ZEIT: Warum stumpfen wir so leicht ab?
Shatz: Wir gewöhnen uns daran. Wir sagen nicht: Wie konnte das passieren? Sondern: Es ist eine Tragödie, und die akzeptieren wir irgendwann. Es ist menschlich, unmenschlich zu sein. Ich komme aus Israel, unsere Gesellschaft besteht aus Flüchtlingen. Aber in Israel heißen schutzbedürftige Menschen nicht Flüchtlinge oder Asylbewerber, auch nicht Migranten. Sie heißen infiltrators, Eindringlinge. Und tatsächlich fordert ein Flüchtling ja die Souveränität des aufnehmenden Staates auf eine geradezu bedrohliche Weise heraus. Er muss erst ankommen – oder: eindringen –, bevor er das Recht hat, um Asyl zu bitten. Der Andere, der Fremde wird zur Gefahr, weil er in die Gemeinschaft eindringt.
ZEIT: Wäre es besser, wenn die Entscheidung, ob jemand in Europa bleiben darf, schon vor seiner Ankunft fällt?
Shatz: Natürlich. Die Asylpolitik der EU ist gescheitert, wir brauchen eine neue. Diese Politik fußt bislang auf dem Prinzip der individuellen Verfolgung und ist geprägt von der Zeit des Kalten Krieges, als man vor allem politische Dissidenten im Sinn hatte. In den letzten Jahren aber wurden viele Menschen nicht individuell verfolgt, sondern als Kollektiv, etwa weil sie vor einem Bürgerkrieg oder einer Naturkatastrophe fliehen mussten. Deshalb sprechen viele Experten nicht mehr von Flüchtlingen im engen Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern von persons in need of international protection, von Schutzbedürftigen. Die Migranten, die die EU nach Libyen zurückschickt, zählen dazu.
ZEIT: Wenn der Internationale Strafgerichtshof die Ermittlungen nicht einleitet, war Ihre Arbeit dann umsonst?
Shatz: Am Ende wird nicht nur der Strafgerichtshof über diese Verbrechen richten, sondern auch die Geschichte. Und ich glaube nach wie vor daran, dass viele Menschen das Bedürfnis haben, nachts gut zu schlafen.
Foto: Kevin McElvaney; Twitter (u.)
In der Nacht auf den 22. Dezember 2016 wurden 112 Migranten auf dem stürmischen Mittelmeer gerettet
Omer Shatz (39) ist Anwalt und lehrt an der Yale University und an der Universität Sciences Po in Paris. Sein Mitstreiter Juan Branco (29) ist einer der Anwälte des WikiLeaks-Gründers Julian Assange
Rettung und kein Land in Sicht
Der Umgang von Matteo Salvini mit Bootsflüchtlingen im Mittelmeer und Seenotrettern wirft viele Fragen auf
«Il faut fermer les camps»
Jean Asselborn, les migrants naufragés en Méditerranée et les détenus bombardés en Libye