Drei Geflüchtete, drei Schicksale

„Ich wollte hier ein Leben wie die anderen“

Wie meistern sie ihre Integration und was hilft ihnen in ihrem neuen Alltag? Drei Geflüchtete schildern, wie sie in Luxemburg zurechtkommen.

Luxemburger Wort 13. Januar 2024   I Figut

Yara Kassouha, Ashti Hasan und Ahmed Gul (von links) erzählen von ihrem neuen Leben nach der Flucht.
Yara Kassouha, Ashti Hasan und Ahmed Gul (von links) erzählen von ihrem neuen Leben nach der Flucht.

An seinen ersten Tag in der EU kann sich Ahmed Gul noch genau erinnern. „Alles lief wie in einem Film ab, die Polizei hat mich kontrolliert und die Fingerabdrücke genommen. Ich werde diesen Tag nie vergessen“, sagt der heute 27-Jährige.

Vor kurzem hat der Iraker einen positiven Bescheid über seinen Asylantrag in Luxemburg bekommen, auf den er zwei Jahre gewartet hatte. „Mein Weg nach Europa war lang und mühsam“, erzählt Ahmed auf Englisch mit einer ruhigen Stimme. Er stammt aus Erbil, der Hauptstadt der teilautonomen Region Kurdistan im Irak. Im Nahen Osten gilt dieses Gebiet als besonders unsicher und instabil.

Für Ahmed Gul (27) aus dem Irak funktioniert die Integration vorwiegend über einen Beruf. Dafür brauche er Zeit und möchte Schritt für Schritt vorgehen.
Für Ahmed Gul (27) aus dem Irak funktioniert die Integration vorwiegend über einen Beruf. Dafür brauche er Zeit und möchte Schritt für Schritt vorgehen. Foto: Marc Wilwert

Sein Weg nach Luxemburg verlief über die Türkei, Italien und Frankreich. Er habe nach einer sicheren Bleibe gesucht. „Für mich ist es eine gute Erfahrung, hier in Europa zu leben.“ Im Irak hat Gul ein Studium für Labormedizin absolviert und lernt derzeit Französisch, um seinen beruflichen Traum zu erfüllen. „Ich möchte mein Diplom anerkennen lassen und einen Job in Luxemburg finden.“

Kein Glück bei der Wohnungssuche

Er habe bereits Freunde sowohl unter ausländischen Mitbürgern, als auch unter Einheimischen gefunden. Doch die meisten seiner Gesprächspartner wissen nicht viel über sein Heimatland und die Region, in der er aufgewachsen ist. „Ich muss ihnen manchmal auf der Landkarte zeigen, wo der Irak liegt“, schmunzelt der junge Mann. Mit seinem Leben in Luxemburg sei er zufrieden: „Ich fühle mich nicht wie ein Ausländer hier.

Was ihm dennoch die meisten Sorgen bereitet: „Ich möchte eine Wohnung mieten. Bislang hatte ich kein Glück.“ Zurzeit teilt Ahmed ein Zimmer mit den anderen Migranten in einer Aufnahmestruktur in der Hauptstadt. „Eine ungünstige Situation“ für ihn. Sein Ziel: „Ich möchte mich besser integrieren, das gelingt aber nur Schritt für Schritt. Dafür benötige ich etwas Zeit und einen Job.“

Ich möchte eine Wohnung mieten. Bislang hatte ich kein Glück.

Ahmed Gul
Geflüchteter aus dem Irak

Sprachkenntnisse und Freunde

Von einer beruflichen Perspektive träumt auch Ahmeds Landsmann, Ashti Hasan, der ebenfalls aus dem Kurdistan stammt. In seinem Heimatland habe er einen Sekundarschulabschluss bekommen und möchte in Luxemburg Medizin studieren. Zurzeit muss der 27-Jährige allerdings noch an seinem Französisch feilen – für das Studium sind die Sprachkenntnisse unabdingbar.

Ashti Hasan (27) möchte Medizin an der Uni Luxemburg studieren. Foto: Marc Wilwert

„Momentan habe ich keinen Kontakt zu der lokalen Bevölkerung“, erzählt der junge Mann, der 2022 nach Luxemburg kam und mehrere Jahre zuvor als Geflüchteter in Griechenland gelebt hatte. Erst vor wenigen Monaten hat er einen internationalen Schutzstatus als Asylberechtigter im Großherzogtum bekommen. „Das wichtigste ist für mich zurzeit, einen Job zu finden und Freundschaften zu knüpfen.“

Ich fühle mich hier gut integriert. Es gibt nichts, was nicht möglich ist.

Yara Kassouha
gebürtige Syrerin und Besitzerin eines Ladens in Düdelingen

Leben in Luxemburg als „Gottesgeschenk“

Wovon Ahmed Gul und Ashti Hasan noch träumen, ist Yara Kassouha aus Syrien bereits gelungen. Die 42-Jährige hat in Luxemburg den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und eigenen Laden eröffnet. Im Geschäft „Yara art“ in der Fußgängerzone von Düdelingen verkauft die Frau, die 2015 aufgrund des Bürgerkriegs in Syrien nach Europa geflohen ist, selbst genähte Kissen und Taschen, personalisierte Bilder, Schmuck und weitere Dekoartikel. „Die Kunden wissen, dass ich hier vieles per Hand anfertige und schätzen meine Arbeit“, erzählt Yara. Von den Einwohnern in Düdelingen werde sie laut eigenen Angaben liebevoll angenommen.

Ihr Erfolgsrezept: „Ich habe immer gearbeitet und Stellen sofort akzeptiert, die mir angeboten wurden. So habe ich viel gelernt.“ Die zweifache Mutter hatte in ihrer Heimatstadt Aleppo zuerst als Buchhalterin gearbeitet und musste nach ihrer Ankunft in Luxemburg nicht nur neue Sprachen lernen: „Ich musste mich daran gewöhnen, dass Zahlen und Buchstaben nicht wie im Arabischen, sondern von links nach rechts geschrieben werden.“

Französisch habe sie sich zum größten Teil selbst über das Internet beigebracht, sagt Yara, die mittlerweile auch die luxemburgische Staatsangehörigkeit besitzt. „Ich fühle mich hier gut integriert. Es gibt nichts, was nicht möglich ist“, stellt die Frau klar, die gläubige Christin ist und ihr Leben in Luxemburg als „Gottesgeschenk“ ansieht. Sie möge nicht, wenn sie als „Migrantin“ bezeichnet werde. „Ich wollte hier ein Leben wie die anderen.“